Seit ein paar Wochen erst/nun schon vermittelt mir mein Sohn das Gefühl, dass er etwas sehr wichtiges in der Schule zu tun hat.
Selbst an Wochenenden ist jetzt die Schule für ihn omnipräsent. An einem der letzten suchte er dann unter all meinen vielen stumpfen Äxten die allerstumpfeste für die Schule aus. Spätestens jetzt war mein Interesse geweckt. Mit einer E-Mail unserer Klassenlehrerin Frau Garbsch kam die be(un)ruhigende Bestätigung, dass neben vielen anderem auch führwahr eine stumpfe Axt gebraucht würde.
Frage ich ihn (unseren Sohn) oder sie (unsere Frau Garbsch) vielleicht viel zu selten, wie es so in der Schule läuft?
Zum Glück steht ein Elternabend an. Und wenig später zwei weitere Präsenztermine in der Schule. Mit richtig(viel)en Menschen. Verrückt! Aber die Zeit? Woher soll ich die nehmen? Schweren Herzens ließ ich das Rasieren, Kämmen, Pomadieren und die allabendliche Quark-Gurkenmaske weg und ersetzte letztere durch eine FFP2-Maske, um das verwahrloste Gesamtbild wirkungsvoll zu kaschieren.
Der Elternabend weckte weiter große Vorfreude auf alles rund um die „stumpfe Axt“, die erfreulicherweise durch ein geeigneteres Exemplar aus Pappmaschee ersetzt wurde. Am Dienstag Abend war es dann endlich soweit.
Was für ein Theater! Welche Begeisterung, welcher Einsatz! Der Funke sprang sofort über. Einige Schulkameradinnen und Kameraden sah ich gefühlt zum allerersten Mal und dann gleich so richtig. Es wurde vortrefflichst geschrien, gelacht, gesungen und getanzt.
Aber nicht nur unsere Kinder, sondern zur Überraschung aller auch ein Eimer, ein mannshoher Kachelofen sowie Schlange und Fisch bewegten sich wie von Zauberhand von der bäuerlichen Küche über Wald, Wiese und See bis zum Schloss des Zaren.
Ja, „des Zaren“! Denn unter der Regie einer temperamentvollen Ukrainerin bekamen wir ein russisches Märchen zu sehen. Zur Freude über das kulturell verbindende Ereignis gesellte sich ein unbeschreiblich warmes Gefühl für all die Protagonist:innen. Dagegen wehrte sich der Misanthrop in mir verzweifelt aber erfolglos.
Neuer Tag, neue Rolle, neues Glück? Unbedingt! Das gleiche Spiel wiederholte sich am Tag darauf und war doch ganz anders. Der Fisch wurde etwas größer, der Bauernbursche etwas kleiner – doch nicht nur äußerlich wandelten sich die Figuren ganz wundersam. Unsere Kinder prägten ihre getauschten Rollen auf ihre ganz eigene Weise und umgekehrt. So bekamen wir zu zwei unterschiedlichen Theaterstücken auch noch einen bunten, facettenreichen Blick auf unsere Kinder geschenkt.
Rollenwechsel. Sollten wir öfter tun. Bzw. einfach mal aus der Rolle fallen…
(Steffen Traverso)