Der letzte Applaus ist verhallt. Immer noch gebannt schauen wir auf die schwarz verhüllte Bühne mit dem purpurnen Vorhang der, aufgezogen, den Blick auf die Marionettenbühne freigab.
Wir waren Gäste der letzten Vorstellung von MARCO POLO – Marionettentheater – aufgeführt von der 7. Klasse unter Leitung von Catharina Engelke.
Seit fast einem Jahr ist unser Enkel Demetrius Schüler an der Waldorfschule Potsdam. Die Gewöhnung an die täglichen Fahrten mit der Regionalbahn, das Einleben in eine seit Jahren gewachsene Klassengemeinschaft waren anfänglich nicht so leicht für unseren Enkel. Das Projekt MARCO POLO, das die Klasse über das siebte Schuljahr begleitete, halfen ihm anzukommen in seiner neuen Schule. Er erzählte vom Bau der Marionetten, wir suchten Stoffe für seine Puppe heraus, beobachteten, wie die Mappe über das Leben, die Reisen und die Zeit Marco Polos immer umfänglicher wurde.
Vor zwei Monaten wurde ich gebeten, ein Boot für das Theaterstück herzustellen. Gemeinsam transportierten wir die riesige Pappe in die Schule. Dann ist es weit, am 24. Juni sitzen wir im vollgestopften Hortfoyer der Schule. Immer wieder werden Hocker angereicht, damit die zahlreichen Eltern, Geschwister, Großeltern Platz finden. Wir sind gespannt, wie die Klasse die Geschichte, vor allem die jahrelange Reise Marco Polos in einem einstündigen Stück umsetzen wird.
Es wird dunkel und mucksmäuschenstill im Raum. Die Klasse singt unter der Anleitung ihrer engagierten Musiklehrerin ein italienisches Lied, begleitet von Querflöte, Cello und Gambe, gespielt von SchülerInnen der Klasse. Geschickt wird die Person Marco Polo eingeführt, dann kommt die Erzählerin, die vor der Bühne Platz nimmt. Zum ersten Mal wird der Bühnenvorhang aufgezogen.
Vor wunderschön gemalten Kulissen, die Venedig zeigen, stehen die Marionetten. Die Szene ist raffiniert ausgeleuchtet. Die Figuren beginnen sich zu bewegen, ihre Sprecher stehen im Rücken des Publikums. Wir sind gefangen von der Atmosphäre, der Lebendigkeit der Marionetten, der Klarheit und Konzentriertheit der Sprecher und Spieler. So geht es in elf Spielszenen durch ausgewählte Stationen der Reise von Marco Polo.
Zwischen den Szenen hören wir den Erzähler, lauschen dem kleinen Orchester, das auch einzelne Bühnenszenen gekonnt akustisch untermalt. Immer wieder tauchen neue Marionetten auf, großartige Kulissen – die Wüste Gobi, die Berge und der chinesische Kaiserpalast illustrieren das Spiel. Als unser Schiff vorbeisegelt, bin ich glücklich einen klitzekleinen Beitrag geleistet zu haben.
In einer Szene machen Marco Polo und seine Begleiter Rast in einem afghanischen Dorf. Drei Dorfbewohnerinnen tanzen vor den Gästen. Brillant gespielt, der Saal tobt vor Begeisterung.
Die Stunde vergeht wie im Fluge. Der letzte Vorgang ist gefallen, der Applaus will kein Ende nehmen. Die gesamte Klasse verbeugt sich vor der Bühne. Dazwischen Catharina Engelke, die Musiklehrerin Antje Schäffer-Rummel, die Kunstlehrerin Minka Maslowski und Jelena Shevnina, die mit der Klasse die unglaublichen Kostüme der Marionetten genäht hatte.
Was für eine Aufführung! In vierzig Jahren Lehrerdasein habe ich so etwas an einer Schule noch nicht gesehen. Meine Hochachtung vor den Lehrerinnen und den SchülerInnen ein langfristig angelegtes Schulprojekt so professionell und eindrucksvoll auf den Punkt gebracht zu haben. Danke für das Erlebnis!
(Thomas Wernicke, Großvater eines Schülers der 7. Klasse)