KI-Workshops für sansibarische Schüler

Seit nun 4 Wochen gebe ich an der Waldorfschule hier auf Sansibar Workshops. Zweimal wöchentlich für zwei Klassen übernehme ich für jeweils eine knappe Stunde den regulären ICT-Unterricht (Information and Communication Technology), in dem normalerweise den Schülern der grundlegende Umgang mit Computern gezeigt wird, und tauche mit ihnen in die neue Welt der künstlichen Intelligenzen ein.

Form 2 (9. Klasse) und Form 1 (8. Klasse), letztere erst seit diesem Schuljahr, das im Januar begann, an der Schule dabei, üben sich am Tippen (sehr schwer), Prompt Engineering (der Kunst, gute Anfragen an die KI zu stellen) und nebenbei auch an ihrem Englisch. Denn dieses zu sprechen, zu lesen und zu schreiben ist, obwohl hier die offizielle Sprache der Privatschulen, für die Schüler noch mehr eine Herausforderung als für mich.

Auf den fünf Schullaptops experimentieren die 13- bis 15-Jährigen, zumeist sind es Mädchen, in den Stunden herum, von erfundenen afrikanischen Märchen zu Übungsplänen für die anstehenden Prüfungen, von Bildern einer autofahrenden Schildkröte zu den Hausaufgaben. Von der Möglichkeit, ihre Hausaufgaben maschinell lösen zu lassen, waren die Schüler sofort sehr überzeugt – in einer Stunde “erwischte” ich sogar drei Teams, wie sie neben ihrer eigentlichen Aufgabe (dem Nachdenken über Probleme von KI) tuschelnd und flink in ihr Übungsheft den soeben generierten Text übertrugen. Erkannt haben sie die Probleme, glaube ich, trotzdem, vor allem die Halluzination, die einem so unerkannt über den Weg läuft. Halluzination ist ein großes Problem von KIs wie ChatGPT, dass diese nicht nein sagen können und im schlimmsten Fall Fakten einfach erfinden.

Unterbrochen von den fast täglichen Strom- und den noch häufigeren Internetausfällen ist es doch sehr interessant, den Schülern die neuesten technologischen Revolutionen zu zeigen, in einem Land, wo das Internet etwa denselben Preis wie in Deutschland hat. Und das, obwohl wegen der langsamen Geschwindigkeit Fotos kaum laden und das jährliche Einkommen bei etwa einem Fünfzigstel von dem deutschen liegt. Über 80 Prozent der Einwohner Tansanias haben ein Smartphone. Doch nur 25 Prozent haben genug Geld für einen Internetzugang.

Jedes Mal bin ich gespannt auf den nächsten Workshop, den jeweils meine Mutter oder mein Vater, mein Bruder und häufig ein Lehrer begleiten. Wie wird der Inhalt bei den Schülern ankommen? Ich weiß es nicht. Es ist sehr interessant hier an der Schule zu unterrichten, ein so schöner Einblick in eine ganz andere Welt. Schüler hier sind sehr brav und schüchtern. Sie hören zu, machen (fast immer) mit. Aber was ist es auch für eine schöne Kultur in Deutschland Debatten führen zu können! Ein Schüler äußert hier, gerade wenn er von einer staatlichen Schule kommt, selten eine eigene Meinung. Es ist also schwer, Fragerunden zu machen, Ideen und Kreativität selbstständig zu entwickeln.

Langsam geht es auf das Ende unseres Besuchs zu. Noch zwei Treffen mit Form 2, ein letztes am Donnerstag mit Form 1. Außerdem gibt es morgen den zweiten Workshop für interessierte Lehrer, die auch hier viel Zeit fürs Experimentieren und aber auch Diskutieren über die Anwendung von KI bekommen. Es erstaunt mich, wie offen und aufmerksam die Leute hier um einen herum sind, ich bin überwältigt von der Chance, selbst einfach mal so eine Klasse zu übernehmen und auch überzeugt, hier etwas beitragen zu können. Vielen Dank!

(Johan Grimsehl)