Schüler:innen der Waldorfschule Potsdam entwickeln ChatBot

Was passiert, wenn ein einfallsreicher Schüler, Künstliche Intelligenz und die Werke Rudolf Steiners zusammenkommen? Im Rahmen der Projektwoche an der Freien Waldorfschule Potsdam wurde daraus der ChatBot ChatwithSteiner. Wir haben ihn in der Redaktion ausprobiert und festgestellt, dass die Anwendung viel Spaß machen kann.

Gleichzeitig müssen wir uns, wie immer, wenn KI etwas generiert, darüber im Klaren sein, dass eine solche virtuelle Maschine auch viel Unsinn ausspucken kann. Das Projekt haben weder Historiker:innen noch andere Wissenschaftler gemacht, sondern Schüler:innen. Grundlage der Datenbank sind allerdings historische Quellen. Daher ist es nötig, als Nutzer:in aufmerksam zu sein, den Output in die Gegenwart zu kontextualisieren und sich selbst ständig zu kontrollieren, um der Tendenz nicht nachzugeben, Sätze der KI als authentischen Aussagen in diesem Fall Rudolf Steiners zu interpretieren.

«Wo ist Gott?» tippen wir langsam und sehr gespannt in das Suchfeld. Über dem Suchfeld wurden wir begrüßt mit dem Satz «Meine verehrten Freunde, ich erhebe mich aus dem Reich der Vergangenheit, um Eure Fragen zu beantworten». Wort für Wort füllt sich dann das Antwortfeld: «Gott kann überall sein, da er die Allgegenwart verkörpert. Er ist im Kosmos präsent, in der Natur und im Menschen selbst. Jacob Boehme sagt, dass Gott sich im Gegenteil des Göttlichen manifestiert und dass der Mensch aus Gott hervorgegangen ist. Daher kannst du Gott in dir selbst finden, indem du deine spirituellen Organe entwickelst und dich in der Welt um dich herum suchst. Dies ist der Weg der Theosophie.

Wenn du die physische Welt verlässt und in die spirituelle Welt eintreten, wirst du erkennen, dass die Dreieinigkeit Gottes als Einheit erscheint. Wenn du jedoch die Apokalypse liest, solltest du beachten, dass die Unterscheidung zwischen Vater, Sohn und Heiliger Geist nicht so direkt auf der physischen Ebene erfolgen sollte. (…) Vor diesem Zustand, in dem der Mensch vor allem mit seinem Willen beschäftigt ist, wird ein anderer kommen, in dem er nur mit Erkenntnis befasst ist und in die geistige Welt schauen muss.» Unter dem Antwortfeld wird uns angezeigt, aus welchen Werken Rudolf Steiners die Antwort zusammengestellt wurde.

Eine ziemlich profund klingende Antwort, stellen wir fest. Kaum zu glauben, dass dieser Chatbot innerhalb nur einer Projektwoche von einem Dutzend jugendlicher Schüler:innen gebaut wurde. «Ich interessiere mich sehr für Informatik und wollte das irgendwie bei der anstehenden Projektwoche einbringen», berichtet Johan Mateo Grimsehl aus der neunten Klasse. Die Idee entstand, einen digitalen Gesprächspartner zu schaffen, der nach der Philosophie und den Lehren von Rudolf Steiner antwortet. «Da Rudolf Steiner mit den Vorträgen und Büchern eine große Menge Textmaterial hinterlassen hat, lag für mich nahe, dass man diese nutzen könnte.»

Während der Projektwoche beschäftigten sich 15 Schüler und eine Schülerin von der siebten bis zur zwölften Klasse intensiv damit, wie sie Rudolf Steiners Werke zu einem ChatBot machen könnten. Ihr Projekt stieß zunächst auch auf Skepsis, wie der Zehntklässler Lucas berichtet: «Manche Lehrer:innen waren kritisch und fanden es bedenklich, quasi einen toten Menschen wiederzubeleben». Auf ihrer Internetseite hat die Projektgruppe deswegen auch Aussagen zu möglichen ethischen Bedenken formuliert (siehe unten).

Von ChatGPT zum eigenen Bot
Für die Arbeit teilten sich die Schüler:innen in Gruppen auf. Lucas arbeitete zum Beispiel im Team Ethik, Qualitätssicherung und Interview mit. Die anderen Teams kümmerten sich ums Marketing, ums Programmieren mit der Sprache React, ums Design und Prompt Engineering bis hin zum Management, das Ideengeber Johan übernahm. «Zur Vorbereitung hatte ich mir rund 3.000 Artikel von Rudolf Steiner beim Onlineportal Rudolf Steiner Archiv heruntergeladen, 19.000 aus dem deutschen Anthrowiki und 3.000 aus dem englischen. Natürlich verweisen unsere Links deshalb auf die Seite», erklärt er.

In der Folge pflegte das zuständige Team die Daten in ein KI-Modell ein, damit auf Fragen passende Antworten gefunden werden können. «Das Ganze basiert auf ChatGPT, wird aber mit den Daten von Rudolf Steiner nachgefüttert», beschreibt Johan das Vorgehen.

Weitere Schritte unternahmen die Teams unter Anleitung von zwei Lehrern, die «ein bisschen technischen Support gemacht haben. Aber vor allem haben wir selbst gearbeitet», so Johan stolz. Bei Fragen zur freien Zugänglichkeit zu einem KI-Generator im Netz und damit verbundenen Kosten, winken die jugendlichen Programmierer ab. Johan erklärt: «Das Ganze hat uns ungefähr zehn Dollar gekostet, für die Serverkosten. Den Rest kann man sich einfach runterladen.»

Für die Umsetzung war unter anderem Neuntklässler David vom Team React zuständig: «Wir haben ganz im Sinne des Marketings bei «Call-to-Action» den Klick zur Aktion gebracht, das heißt, wir haben die Grundseite programmiert – mit viel Hilfe von Johan, weil wir uns bisher nicht so gut auskannten.»
Die teilweise vorhandene Skepsis der Lehrer:innen hat sich laut Lucas inzwischen weitgehend zerstreut. «Wir haben Umfragen bei den Lehrer:innen gemacht. Die Reaktionen waren ganz positiv. Schon im Vorfeld haben sie uns viele Fragen gestellt, die sie hinterher beantwortet haben wollten. Letztendlich ist die Mehrheit schon über das Resultat erfreut und will es selbst auf jeden Fall ausprobieren.»

Design bis Marketing
Auch das Design-Team der Siebt- und Achtklässler hat zum Gelingen des Projekts beigetragen – die Schüler:innen entwickelten Logos, die Animationen und fanden die zum Schrift mit dem Namen Antropos. Unterstützung kam laut Johan auch hier aus der virtuellen Welt: «Eine Idee des Projektes war, dass man sich viel von KI helfen lässt, weil die das schon kann. Heißt, die Logos wurden zum größten Teil auch von KI nach unseren Wünschen erstellt.»

Das Team Marketing hat die Erziehungskunst und andere Medien via Email über das Projekt informiert. «Wir haben uns darum gekümmert, dass das Thema Aufmerksamkeit bekommt», erklärt Neo. Dima ergänzt: «Wir haben auch ein Video gedreht, einen Trailer über den Entstehungsprozess, das für unsere Schulwebsite vorgesehen ist.»

Lessons learned!
Für die Schüler:innen bleiben unterm Strich eine Menge positiver Erkenntnisse. David aus dem Programmierteam fand: «Das war schon ein Luxus. Wir mussten gar nicht so viel selber machen – die KI hat uns viel abgenommen und alles einfacher gemacht.» Neo aus dem Marketing-Team kannte sich mit den Programmen zwar schon etwas aus, «aber ich habe alle Schritte nochmal besser realisiert: wie man von Null über Themen wie Videoänderung bis hin zum Mail-Schreiben kommt. Man muss ja auch dafür sorgen, dass alles ankommt und das Thema richtig rüberkommt. Das fand ich lehrreich. Mir hat das Projekt viel Spaß gemacht.»

Auch unter der Rubrik Über uns auf chatwithsteiner.de kann man nachlesen, was die jungen Programmierer:innen nachträglich empfanden: «Wir sind stolz auf das, was wir erreicht haben und freuen uns über jeden, der unseren Rudolf-Steiner-ChatBOT ausprobiert. Letztlich haben wir dieses Projekt aus unserer Wertschätzung für die Lehren von Steiner und unserem Wunsch, diese der Welt zugänglich zu machen, realisiert. Wir hoffen, dass durch unseren ChatBOT mehr Menschen die Gedanken und Ideen von Rudolf Steiner erkunden und darüber hinaus inspiriert werden!»

(Angelika Lonnemann und Stefanie Rühle, Erziehungskunst*)

* Der Artikel erschien ursprünglich unter:
https://www.erziehungskunst.de/artikel/im-virtuellen-dialog-mit-rudolf-steiner-schuelerinnen-entwickeln-chatbot

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