Am 19. Mai 2022 fand die zehnte Etappe des seit 2008 auch in Potsdam gelebten Erinnerungsprojektes STOLPERSTEINE einen würdigen Abschluss: Tagsüber konnten – verteilt über das gesamte Stadtgebiet – 16 neue Stolpersteine an den letzten selbstgewählten Wohnorten von Opfern des Nationalsozialismus verlegt werden, einige der Steine unter persönlicher Mitwirkung von Gunter Demnig, dem Initiator des europaweiten Kunstprojektes. Am frühen Abend versammelten sich im Potsdam Museum ungefähr 100 Menschen zur Vorstellung der mit den Steinen verbundenen Biographien.
In seiner Einführungsrede schilderte Oberbürgermeister Mike Schubert seine langjährige Verbundenheit zum Stolpersteinprojekt. Dabei ließ er die Anwesenden auch an Gedanken und Empfindungen teilhaben, welche bei ihm aufkommen, wenn er bei seinen Wegen durch die Stadt auf einen der nun insgesamt gut 50 Potsdamer Stolpersteine stößt. Sehr vereinfacht lassen sich diese als ein „da war doch was“ beschreiben – dieses jedoch nicht mit flapsigem oder nachlässigem Grundton, sondern eher im Sinne eines behutsamen Innehaltens, eines sich Erinnerns. Ein Stolperstein soll den sich ihm annähernden Fußgänger nicht zum Straucheln oder gar zum Stolpern bringen. Der Fokus seines Bewusstseins werde jedoch für einige Augenblicke weg vom „Alltag“ des Fußgängers hin zum Stein ausgerichtet. Indem er sich zu dem Stein aus leuchtendem Messing hinunterbeugt, um die Inschrift lesen zu können, verbeugt er sich: Eine Verbeugung vor dem Schicksal eines anderen Menschen und gleichzeitig ein Sich-Erinnern an Geschehnisse, welche zur deutschen Geschichte, auch zur Geschichte Potsdams, gehören und welche nicht vergessen werden dürfen. Damit sich diese nicht wiederholen.
Den Mittelpunkt der Veranstaltung bildeten die Vorträge der an dem Projekt beteiligten Potsdamer Schülerinnen und Schüler – in diesem Jahr zwei Gymnasien und die Waldorfschule Potsdam. Sie ließen die Anwesenden mit ihren durchweg sehr fundiert und berührend vorgetragenen Präsentationen an den von ihnen erforschten, mit den Stolpersteinen verbundenen Biographien teilhaben.
Die Zielrichtung des Stolpersteinprojektes machte eine Schülerin für mich besonders deutlich, als sie sinngemäß vortrug: Ein Stolperstein ist mehr als ein Stein mit einem Geburts- und einem Sterbedatum. Mit ihm verbindet sich jeweils das Schicksal eines Menschen, der vor seiner Ermordung ein Leben mit all seinen Höhen und Tiefen gelebt hatte, mit Erlebnissen der Liebe und Freude, aber auch ein Leben mit seinen ganz individuellen Herausforderungen im Alltag eines Menschen. Bis dieses Leben durch die Ermordung dieses Menschen abrupt beendet worden war, meistens begleitet von den vorherigen Qualen einer Deportation in die Konzentrations- und Vernichtungslager der Nazis.
Am Ende der Gedenkveranstaltung dankten zwei Nachfahrinnen eines zu gedenkenden Menschen den jungen Forscherinnen und Forschern sowie ihren Lehrkräften. Die beiden älteren Damen zeigten sich sehr berührt davon, dass das Stolpersteinprojekt, gerade durch die Mitwirkung junger Menschen, auch in Potsdam einen wichtigen Teil der Erinnerungskultur dieser Stadt bildet.
13 Schülerinnen und Schüler aus den Klassen 10, 11 und 12 unserer Schule haben mit Unterstützung ihrer Geschichtslehrerin, Sibylla Hesse, monatelang zu sechs der insgesamt 16 Biographien für die diesjährigen Stolpersteine geforscht. Sie konnten damit einen wesentlichen Beitrag zum Stolpersteinprojekt in Potsdam leisten. Anlässlich der am 27. Januar 2022 in unserer Schule durchgeführten Gedenkfeier zum 77. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Ausschwitz hatten sie auch schon unsere Schulgemeinschaft an diesem wichtigen Oberstufenprojekt teilhaben lassen.
Nähere Informationen zur diesjährigen Stolpersteinverlegung in Potsdam unter folgendem Link: → www.potsdam.de/244-neue-stolpersteine-verlegt
Quelle: www.potsdam.de
(W. Hartisch)